aus den Lübecker Nachrichten vom 14. Nov. 2015
Weihnachtsmann: Berufen, um zu schenken
Ja, ist denn heut schon…? Zwei Lübecker geben in Schulungen Tipps, wie die Bescherung am Heiligabend gelingt — und ohne roten Mantel geht gar nichts.
Lübeck. Weihnachtsmann zu sein, ist für Kai Kinter (49) und Gerd Brandt (49) vielmehr eine Berufung als ein Beruf. Sie spielen ihre Rolle mit Herzblut, wollen die Menschen berühren. „Wir möchten in den Kindern den Glauben an das Gute wecken“, sagt Brandt. Wenn die Profi-Weihnachtsmänner an Heiligabend in den Wohnzimmern für Familien den Weihnachtsmann spielen, lassen sie keine Kleinigkeit unbedacht.
In dreistündigen Schulungen zeigen die beiden allen Interessierten die Tipps und Tricks, die ihrer Meinung nach zu einem gutmütigen Weihnachtsmann gehören. Bei Plätzchen und Kaffee lernen die Teilnehmer den richtigen „Dresscode“, Verhaltensregeln und Wissenswertes über die Geschichte kennen. Schon vor über zehn Jahren schlüpften Kinter und Brandt in die Weihnachtsmannrolle. … das Duo hat schon unzählige Familien besucht und kann auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückblicken.
„Ein bisschen schauspielerisches Talent sollte man mitbringen“, verrät Kinter. Außerdem gehöre zu der Aufgabe, improvisieren zu können und stets eine persönliche Interpretation der Rolle einzubringen. Ganz wichtig sei dabei seiner Ansicht nach auch das Kostüm.
Vom stattlichen roten Mantel über den Wuschelbart, goldene Glöckchen und Geschichtenbuch bis hin zu den schwarzen Stiefeln — in vollständiger Montur sind Kinter und Brandt nicht wiederzuerkennen. Der lockige Bart und die tief ins Gesicht gezogene Kapuze lassen gerade noch Platz für Augen und Nase. „Ein komplettes, hochwertiges Kostüm kostet 400 bis 500 Euro“, sagt Brandt. Eine Kutte vom Discounter, die schon ab fünf Euro erhältlich sei, komme für die Profi-Weihnachtsmänner aber nicht in Frage. Ihr Auftritt an Heiligabend sei schließlich nicht nur ein Job. cb
Der Weihnachtsmann-Trainer Gerd Brandt
Live Mitschnitt NDR 1 „Welle Nord“ vom 12.11.2015 aus Lübeck
Artikel Wochenspiegel Weihnachtsausgabe Dez. 2014
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Ein Weihnachtsmann mit Empathie
Gerd Brandt nimmt seinen Beruf ernst. Sehr ernst sogar. Auch wenn viele Erwachsene – und so manche größere Kinder – nicht wirklich an ihn glauben. Damit kann er leben. Er ist seit Jahren als professioneller Weihnachtsmann unterwegs. Seine Arbeit hat jedoch nichts von ihrem Glanz eingebüßt. Ganz im Gegenteil. Er denkt daran, für nächstes Jahr eine eigene Weihnachtsmann-Agentur aufzubauen.
„Als Weihnachtsmann hast Du eine große psychologische Verantwortung. Du bist so machtvoll. Du kannst so viel Gutes bewegen.“ Diese Macht sinnvoll einzusetzen, ist genau sein Ding. „Strafendes hat bei mir keinen Platz. Ich versuche, die Kinder zu stärken und zu stützen, sie auf Dinge aufmerksam zu machen. Alle sollen feuchte Augen haben, wenn ich gehe, und dabei am besten noch lachen.“
Das Geheimnis dieses Weihnachtsmanns ist, dass er jeden so nimmt, wie er ist. Und damit Gerd Brandt jedem gerecht werden kann, informiert er sich in einem etwa 30minütigen Vorgespräch über die Themen, die die Familien gerade bewegen, um sie dabei liebevoll unterstützen zu können und den Kindern Werte wie Dankbarkeit und Wertschätzung zu vermitteln. „Ohne erhobenen Zeigefinger“. Er tippt seine Notizen feinsäuberlich ab und klebt sie in sein „Goldenes Buch“, das er stets mit sich führt. Genauso wie seinen großen Jutesack, der mit den Geschenken gefüllt ist, die ihm ein „Vertrauensmann“ zugesteckt hat.
Bei manchen ist der große, kräftige Mann mit dem roten Gewand, dem weißen Rauschebart und dem wallenden Haupthaar an Weihnachten tatsächlich fast schon ein Teil der Familie. „Ich habe eine Familie, die bucht mich seit Jahren an Heiligabend. Für sie gehöre ich mit meinen Geschichten und Erzählungen ebenso mit zu ihrem Fest wie die Lieder, die sie zusammen auf der Geige spielen.“ Oft stimmt der Weihnachtsmann auch selbst Lieder an. „Singen verbindet immer. Da geht etwas auf.“ Und es entstehen anrührende Momente, die selbst dem Weihnachtsprofi ans Herz gehen, der an Heiligabend im Schnitt gut sechs Stunden ohne Pause unterwegs ist.
Nur allzu gut erinnert er sich an eine kleine Episode, die sich am Rande abspielte, als er in der Heiligen Nacht von einer Bescherung zur anderen ging. Ein kleines Mädchen hing blickte zufällig aus einem Fenster und konnte ihr Glück nicht fassen, den Weihnachtsmann mit eigenen Augen zu sehen. „Sie war richtig beseelt.“ Solche Glücksmomente waren es unter anderem, die den 47-Jährigen aus Sinsheim vor rund zehn Jahren zum Weihnachtsmann werden ließen. Seitdem bringt der Mann, dem es Spaß macht, sich zu verkleiden, nicht nur Kinderaugen zum Leuchten und zum Staunen.
Gerd Brandt hat Ethnologie und Erziehungswissenschaft studiert und schon früh damit angefangen, erlebnispädagogische Veranstaltungen anzubieten, die ein Stück weit auch besinnlich sind. Schon damals half er dem Arbeitsamt immer mal wieder als Weihnachtsmann aus. Vor 15 Jahren zog der Sinsheimer dann nach Norddeutschland. Kurze Zeit später machte er sich selbstständig – unter anderem als Weihnachtsmann. Im „Nebenberuf“ ist er zur Weihnachtszeit auch als Nikolaus auf Betriebs- oder Weihnachtsfeiern in und um Lübeck im Einsatz. Nachdem ihn das saisonale Geschäft aber nur einen kurzen Zeitraum im Jahr finanziell trägt, tritt er auch als Geschichtenerzähler auf Märkten, bei Vereinen oder zu Feierlichkeiten jedweder Art auf, für die er unterschiedliche Programme entwickelt hat. Und seit kurzem ist Gerd Brandt noch Heilpraktiker für Psychotherapie.
Sein nächstes Projekt steht bereits in den Startlöchern. 2015 möchte er gerne in Lübeck eine eigene Weihnachtsmann-Agentur aufbauen. Hierfür sucht Gerd Brandt noch Menschen mit Empathie, einem souveränen Auftreten und einem positiven Weltbild, denen es Freude macht, wie er als Weihnachtsmann alle Jahre wieder die Welt der großen und kleinen Kinder ein kleines bisschen zu verzaubern…
Was wäre Weihnachten ohne einen Weihnachtsmann? Ein Fest ohne strahlende und staunende Kinderaugen.
Text/Foto: DO